Die Eigentümergemeinschaft versammelt sich nach § 24 Abs. 1 Wohnungseigentumsgesetz (WEG) mindestens einmal im Jahr, um ihre Angelegenheiten zu regeln. Dort werden oft zahlreiche Beschlüsse getroffen und meistens gehen nicht alle Eigentümer zufrieden mit den beschlossenen Entscheidungen nach Hause. Halten Eigentümer getroffene Beschlüsse der Eigentümergemeinschaft für unwirksam, gibt das WEG den Weg zur gerichtlichen Überprüfung des Beschlusses vor: Die Anfechtungsklage nach § 44 Abs. 1 S. 1, 1. Alt. WEG. Damit kann ein Wohnungseigentümer einen Beschluss der Wohnungseigentümer durch ein Gericht für ungültig erklären lassen.

Der nachfolgende Artikel erklärt, wann ein Beschluss anfechtbar ist und was bei der Anfechtung eines Beschlusses der Eigentümerversammlung zu beachten ist.

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I.  Wann ist ein Beschluss anfechtbar und wann nichtig?

Zunächst ist es wichtig, zu unterscheiden, wann ein Beschluss der Wohnungseigentümergemeinschaft  (WEG- Gemeinschaft) anfechtbar ist und wann er nichtig ist.

Bei einem nichtigen Beschluss ist der Beschluss von Anfang an nichtig bzw. unwirksam und war somit nie gültig. Meist besteht hier ein grober Verstoß gegen zwingenden Rechtsvorschriften zur Beschlussfassung. Es ist dann eine sog. Nichtigkeitsfeststellungsklage zu erheben.

Bei einem anfechtbaren Beschluss ist der Beschluss so lange wirksam bis er durch ein Gericht für ungültig erklärt wird. Meist haben anfechtbare Beschlüsse formelle oder inhaltliche Fehler (vgl. unter II.)

In der Praxis ist es oft nicht einfach beides abzugrenzen. Die Gerichte prüfen allerdings im Rahmen der Anfechtungsklage auch immer die mögliche Nichtigkeit des Beschlusses mit.

Mehr zur Unterscheidung und der  Frage der Nichtigkeit eines Beschlusses der Wohnungseigentümer lesen Sie hier: Beschlüsse der Eigentümerversammlung: Nichtig oder anfechtbar? Unterschied! und in Eigentümergemeinschaft: Wann ist ein Beschluss nichtig?

II. Beispiele für anfechtbare Beschlüsse

Ein Beschluss kann aus verschiedenen Gründen anfechtbar sein. Die Anfechtung eines Beschlusses der WEG- Gemeinschaft  kann dabei sowohl auf formelle als auch auf inhaltliche Mängel gestützt werden.

Hier einige Beispiele:

1.  Formelle Fehler eines Beschlusses

Beispiele für anfechtbare Beschlüsse wegen formellen Fehlern sind,

  • Beschlüsse einer Eigentümerversammlung die fehlerhaft einberufen wurde, d. h. die Einladung war fehlerhaft, weil die Einladungsfrist zur kurz war oder Tagesordnungspunkte fehlten bzw. unzureichend angegeben wurden etc.
  • Beschlüsse zu Sachverhalten die nicht als Tagesordnungspunkt gefasst wurden (mehr dazu auch in: WEG Beschluss ohne Tagesordnungspunkt – Was sind die rechtlichen Folgen?).
  • Beschlüsse, bei denen einzelne Eigentümer unrechtmäßig zur Abstimmung ausgeschlossen wurden.
  • Beschlüsse des Umlaufverfahrens die nicht allstimmig gefasst wurden.
  • Beschlüsse bei denen Fehler in der Abstimmung vorlagen, z.B. fehlerhafte Stimmauszählung, fehlende Mehrheit für Sanierungsbeschluss nach altem WEG- Recht (vgl. Landgericht (LG) Berlin, Urteil vom 22.03.2022, Az.: 55 S 37 /21) etc.

Eine Übersicht zu den Formalien einer Eigentümerversammlung und somit möglichen Fehlerquellen gibt der Beitrag: Eigentümerversammlung: Einberufung, Fristen, Vollmachten und Protokollierung.

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2. Inhaltliche Fehler eines Beschlusses

Beispiele für anfechtbare Beschlüsse wegen inhaltlichen Fehlern sind,

  • Beschlüsse, die unbestimmt, unklar oder mehrdeutig formuliert sind.
  • Beschlüsse, die gegen die Grundsätze ordnungsgemäßer Verwaltung verstoßen; z.B. unwirtschaftliche Entscheidungen bei kostenintensiven baulichen Maßnahmen; fehlende Einholung mehrerer Kostenvoranschläge, vorschnelle Beauftragung einer Fachfirma etc.
  • Beschlüsse über die Jahresabrechnung oder Hausgeldnachforderungen, deren Berechnung oder Berechnungsgrundlage falsch ist.
  • Beschlüsse, die inhaltlich gegen die Gemeinschaftsordnung verstoßen.
  • Beschlüsse, die Gebrauchsrechte der (einzelnen) Eigentümer unzulässig einschränken.
  • Beschlüsse, die einzelnen Eigentümern unzulässig besondere Kosten auferlegen.
  • Beschlüsse über Verträge oder Vertragsänderungen, die unwirksame Klauseln enthalten; z.B. ein Verwaltervertrag, der eine unwirksame automatische Erhöhung der Verwaltungskosten vorsieht: solche einzelnen unwirksamen Regelungen können den ganzen Beschluss über den Vertragsabschluss anfechtbar machen (vgl. Amtsgericht (AG) Reutlingen, Beschluss vom 20.07.2012, Az.: 9 C 1006/11); etwas anderes gilt nur wenn feststeht, dass die Mehrheit der WEG- Gemeinschaft den teils unwirksamen Verwaltervertrag beschlossen hätte, wenn die Unwirksamkeit bekannt gewesen wäre (vgl. Saarländisches Oberlandesgericht (OLG), Beschluss vom 10.10.1997, Az.: 5 W 60/97).

III. Wie wirkt sich ein anfechtbarer Beschluss aus?

Allein die Tatsache, dass ein Beschluss anfechtbar ist, hat zunächst keine Auswirkungen. Der Beschluss der  Eigentümergemeinschaft ist ab dem Zeitpunkt der Verkündung durch den Verwalter gültig, wenn er nicht nichtig ist (vgl. oben unter I.).

Durch die Erhebung der Anfechtungsklage verliert der Beschluss seine Gültigkeit ebenfalls nicht. Die gerichtliche Anfechtung eines Beschlusses der Wohnungseigentümer hat also nicht zur Folge, dass der gefasste Beschluss auch nicht mehr umgesetzt werden kann oder die Umsetzung aufgeschoben werden muss (LG München I, Urteil vom 08.08.08, Az.: 1 T 13169/08). Erst dann, wenn das Gericht zu dem Urteil gelangt, dass der Beschluss aufzuheben ist und es den Beschluss für ungültig erklärt, wird die Wirksamkeit des Beschlusses beseitigt.

Soll verhindert werden, dass ein anfechtbarer Beschluss von der WEG- Gemeinschaft bzw. dem Verwalter ausgeführt wird und damit vollendete Tatsachen geschaffen werden, kann neben der Anfechtungsklage ein Eilrechtsschutzverfahren beantragt werden. Z.B. eine einstweilige Verfügung. Dadurch kann die Durchführung des Beschlusses (z.B. das Fällen von Bäumen oder die Ausführung bestimmter Baumaßnahmen etc.) untersagt werden, bis das Hauptverfahren der Anfechtung rechtskräftig abgeschlossen ist.

Erhebt niemand eine Anfechtungsklage gegen einen anfechtbaren Beschluss, wird der Beschluss rechts- und bestandskräftig — mag er inhaltlich auch noch so falsch sein. Die Wohnungseigentümer müssen sich dann alle an diesen Beschluss halten.

IV. Bis wann ist ein Beschluss anfechtbar?

Ein Beschluss ist bis zum Ablauf der sog. Anfechtungsfrist anfechtbar. Hier gilt § 45 WEG: Danach muss die Anfechtungsklage innerhalb eines Monats nach der Beschlussfassung erhoben und innerhalb eines weiteren Monats schriftlich begründet werden.

Die Anfechtungsfrist beginnt am Tag der Beschlussfassung durch die Eigentümergemeinschaft und nicht erst mit der Zusendung des Versammlungsprotokolls.

Wer diese Frist versäumt kann den Beschluss grds. nicht mehr anfechten. Ein Ausnahme gibt es nur für die Fälle, in denen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden kann: so, z.B. wenn ein Wohnungseigentümer keine Schuld an der Fristversäumung trifft, weil er an der Fristwahrung schuldlos gehindert wurde. Hier gilt eine Widereinsetzungsfrist von 2 Wochen nach Wegfall des Hinderungsgrundes, vgl.  § 234 Abs. 1 Zivilprozessordnung (ZPO).

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V. Wer kann einen Beschluss der Eigentümergemeinschaft anfechten?

Nach § 44 Abs. 1 S. 1 WEG kann die Anfechtungsklage bereits durch einen einzelnen Wohnungseigentümer allein erhoben werden. Es können sich auch mehrere Wohnungseigentümer bei der Klageerhebung zusammenschließen.

Die Klage ist nach § 44 Abs. 2  S. 2 WEG gegen die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer zu richten. Wird die Anfechtungsklage offensichtlich falsch adressiert, z.B. mit „gegen alle anderen Wohnungseigentümer“, dann ist der richtige Beklagte durch Auslegung zu ermitteln (vgl. LG Berlin, Urteil vom 22.03.2022, Az.: 55 S 37 /21).

VI. Rechtsfolge der Anfechtung: Aufhebung des Beschlusses

Nach erfolgter Anfechtung eines Beschluss bestimmt sich die Rechtsfolge nach dem Ausgang des Rechtsstreits. Erklärt das Gericht den Beschluss für ungültig, fällt er so zusagen rückwirkend weg. Das bedeutet, es wird rechtlich unterstellt, dass der Beschluss nie gefasst worden sei.

Für Wohnungseigentümer kann sich zudem ein sog. Folgenbeseitigungsanspruch ergeben, wenn der Beschluss zwischenzeitlich ganz oder teilweise umgesetzt wurde. D.h. es kann verlangt werden, dass die aufgrund des ungültigen Beschlusses umgesetzten Maßnahmen rückgängig gemacht werden.

VII. Fazit und Zusammenfassung

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass im Zweifel jeder Beschluss der Eigentümergemeinschaft anfechtbar ist. Die Anfechtungsklage ist innerhalb eines Monats ab Beschlussfassung zu erheben und innerhalb von zwei Monaten zu begründen. Es können formelle und inhaltliche Fehler des Beschlusses angegriffen werden. Bis zum Urteil, dass den Beschluss für ungültig erklärt bleibt der Beschluss wirksam und damit auch durchführbar!

Mein Name ist Dennis Hundt. Seit 2009 schreibe ich hier Beiträge für Immobilien­eigentümer. Mit meinem Portal Hausver­walter-Vermittlung.de helfe ich Eigentümern bei der Suche nach einer neuen Haus­ver­waltung. Eigentümer können hier kostenfrei und unverbindlich Angebote von Hausverwaltungen aus Ihrer Nähe anfordern.

4 Gedanken zu „Eigentümergemeinschaft: Wann ist ein Beschluss anfechtbar?“

  1. Sehr geehrter Herr Hundt, unsere derzeitige Hausverwaltung hatte zu einer außerordentlichen Versammlung eingeladen. Da wurde ein Wirtschaftsplan auf den Tisch geknallt der vorher weder als TOP angekündigt war oder vorher zur Einsicht/Prüfung zur Verfügung stand. Da wir noch nie einen Wirtschaftsplan hatten, wusste die Mehrheit der Miteigentümer auch nicht was er bedeutet, aber auf Druck der HV wurde dieser Wirtschaftsplan beschlossen.. Im Protokoll stand dann ein TOP mehr als auf der Ladung und zwar „Sonstiges“ in welchem der Wirtschaftsplan versteckt war. Der Beschluss wurde angefochten, am 25.01. sollte die Verhandlung sein. Da das Gericht vergessen hat, den Beklagten die Klagebegründung zuzustellen wurde der Termin auf 11.04. verlegt. Die HV versucht nun in diesen 10 Wochen die Jahresabrechnung 2023, Wirtschaftsplan und Eigentümerversammlung mit Zustimmung zu den Beschlüssen zu erreichen. Dann würde das Gericht die Klage abweisen, Streitwert rund 40.000 EURO. Ist das wirklich alles so einfach, ich habe Angst. Danke.

    Antworten
    • Hallo Brigitte,

      Ein wirksamer Beschluss kann unter anderem nur gefasst werden, wenn dieser entsprechend mit der Tagesordnung in der Einladung bekannt gemacht wurde. Alles andere ist zumindest anfechtbar. Grundsätzlich kann man darüber hinwegsehen, zumindest wenn es Einigkeit in der Gemeinschaft gibt und keiner klagt.

      Die Verwaltung versucht nun, das Fehlverhalten zu heilen bzw. zumindest abzumildern. Mögliche Auswirkungen auf die Klage sind mir nicht bekannt.

      Viele Grüße

      Dennis Hundt

      Antworten
  2. Hallo Herr Hundt,

    in einem Mehrheitsbeschluss im Mai 2023 wurde vereinbart, dass die Hausverwaltung Angebote für das Entfernen der Hecke einholt. Danach haben wir nichts mehr dazu gehört oder gesehen. Am 27. und am 29. Februar 2024, tauchte eine Firma auf und hat etwas (Pestizid?) verteilt, damit die Pflanzen eingehen. Man sieht erste Anzeichen. Kann man mit diesem Trick die Schutzzeit ab 01. März umgehen, weil ja nach einer gewissen Zeit nur noch dürres Holz vorhanden ist. Wir Eigentümer haben vorab kein Angebot gesehen und wissen absolut nichts von den ausgehandelten Konditionen. Wir schätzen, dass es über 5.000€ kosten wird.

    Danke für Ihre Antwort.

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    • Hallo Brigitte,

      ohne genaueres zu wissen, tappen wir im Dunkeln und können nur Vermutungen anstellen. Das hilft Ihnen nicht weiter. Erfragen Sie, wie es um die Ausführung des Beschlusses steht bzw. was es mit den Arbeiten auf sich hatte.

      Viele Grüße

      Dennis Hundt

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