Die WEG-Reform 2020 sollte die bisherige Gestattungspraxis für bauliche Veränderungen in der Eigentümergemeinschaft vereinfachen. Strittige Themen, wie die Frage über die Notwendigkeit eines Beschlusses für bauliche Veränderungen sollten gesetzlich geklärt werden. Dafür wurden die einschlägigen Vorschriften im Wohnungseigentumsgesetz (WEG) geändert und die einzelnen Eigentümer in Ihrem Recht zur Gestattung einer baulichen Veränderung gestärkt. Ist es nun einfacher eine bauliche Veränderung vorzunehmen?

Lesen Sie hier, was das WEG nach der WEG-Reform 2020 für baulichen Veränderung in der Eigentümergemeinschaft bestimmt und welche Voraussetzungen gelten.

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I. Was sind bauliche Veränderungen?

Der Begriff bauliche Veränderung ist in § 20 Abs. 1 WEG gesetzlich definiert. Danach sind alle Maßnahmen, die über die ordnungsmäßige Erhaltung des gemeinschaftlichen Eigentums hinausgehen bauliche Veränderungen.

Dazu zählen z.B. der Einbau von Sicherheitswohnungstüren, der Aufbau eines Gartenhauses, die Anbringung einer Parabolantenne an der Außenseite des Hauses, die Verglasung eines Balkons, der Einbau eines Aufzugs usw.

II. Wann dürfen Eigentümer bauliche Veränderungen vornehmen?

Nach § 20 Absatz 1 WEG kann die Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG-Gemeinschaft) bauliche Veränderungen beschließen oder einem Wohnungseigentümer durch Beschluss gestatten. Seit der WEG- Reform ist hierfür kein besonderes Quorum mehr erforderlich (vgl Drucksache 19/18791, S. 63). Das bedeutet, es genügt grundsätzlich eine einfache Mehrheit der abgegebenen Stimmen für die Beschlussfassung.

In § 20 Abs. 2 WEG sind 4 Fälle dazu gesetzlich definiert: Danach kann jeder Wohnungseigentümer angemessene bauliche Veränderungen verlangen, die

  • dem Gebrauch durch Menschen mit Behinderungen,
  • dem Laden elektrisch betriebener Fahrzeuge,
  • dem Einbruchsschutz und
  • dem Anschluss an ein Telekommunikationsnetz mit sehr hoher Kapazität dienen.

Wie die bauliche Veränderung durchzuführen ist, ist ebenfalls im Rahmen ordnungsmäßiger Verwaltung durch Beschluss zu entscheiden.

Beabsichtigt ein einzelner Wohnungseigentümer eine bauliche Veränderung, durch die in Rechte der Miteigentümer eingegriffen wird oder die diese benachteiligt, gilt § 20 Abs. 3 WEG: Danach kann ein einzelner Wohnungseigentümer die Gestattung einer baulichen Veränderung durch die Eigentümergemeinschaft verlangen, wenn alle Wohnungseigentümer, deren Rechte über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus beeinträchtigt werden, einverstanden sind. Dieser Gestattungsanspruch gilt für alle Fälle, in denen entweder benachteiligte Eigentümer zustimmen oder es keine Benachteiligungen für andere Eigentümer gibt.

Merke:

Die Gestattung einer baulichen Veränderung bedarf grundsätzlich eines Mehrheitsbeschlusses. Eine Ausnahme gilt für eine bauliche Veränderung, die andere Wohnungseigentümer über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus benachteiligt: Dieser Gestattungsbeschluss bedarf zusätzlich dem Einverständnis der benachteiligten Miteigentümer.

 

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III. Welche baulichen Veränderung sind gesetzlich unzulässig?

Nach § 20 Abs. 4 WEG dürfen bauliche Veränderungen, die die Wohnanlage grundlegend umgestalten oder einen Wohnungseigentümer ohne sein Einverständnis gegenüber anderen unbillig benachteiligen, nicht beschlossen und gestattet werden; sie können auch nicht verlangt werden.

Erfolgt ein Gestattungsbeschluss entgegen § 20 Abs. 4 WEG ist der Beschluss anfechtbar. Voraussetzung für den Erfolg der Anfechtung ist, dass die bauliche Veränderung

  • entweder die Wohnanlage grundsätzlich umgestaltet oder
  • einzelne Wohnungseigentümer ohne ihr Einverständnis gegenüber den anderen Wohnungseigentümern unbillig benachteiligt (BT DS 19/18791, S. 61).

Bauliche Veränderungen, die diese Voraussetzung nicht erfüllen und mehrheitlich beschlossen werden, sind von der überstimmten Minderheit hinzunehmen, so z.B. bei Beeinträchtigungen des optischen Gesamteindrucks (BT DS 19/18791, S. 66).

Ab wann ein Gericht bei einer baulichen Veränderung von einer grundlegenden Umgestaltung der Wohnanlage ausgeht, ist immer eine Einzelfallentscheidung. Grundsätzlich gilt, dass eine grundlegende Umgestaltung nur im Ausnahmefall und bei den nach § 20 Abs. 2 privilegierten Maßnahmen typischerweise gar nicht anzunehmen ist (Landgericht (LG) Köln, Urteil vom 26.01.2023, Az.: 29 S 136/22).

Keine grundlegende Umgestaltung ist nach der Rechtsprechung:

  • Abbruch nicht genutzter Schornsteine und Kaminzüge (AG Hamburg, Urteil vom 10.05.2022, Az.: 9 C 277/21)
  • Installation eines Rauchabzugs (AG Hannover, Urteil vom 09.03.2021, Az.: 482 C 8604/21)
  • Beseitigung eines Sichtschutzelements zwischen zwei Balkonabschnitten (AG Bonn, Urteil vom 04.05.2022, Az.: 211 C 38/21)
  • Genehmigung des Ausbaus eines Dachbereichs zur Dachterrasse (AG Saarbrücken, Urteil vom 09. 03.2022, Az.: 36 C 292/21)
  • Bau eines Außenaufzugs an das Hinterhaus eines Jugendstilgebäudes (LG München I, Urteil vom 24.11.2022, Az.: 36 S 3944/22)

IV. Wer trägt die Kosten und Nutzen einer baulichen Veränderung?

Ist die Durchführung einer baulichen Veränderung durch Beschluss gestattet, regelt § 21 WEG, wer die Nutzungen aus der baulichen Veränderung ziehen darf bzw. wer von der baulichen Veränderung profitiert und wer die Kosten trägt.

Das Gesetz stellt dabei für die Verteilung der Kosten und Nutzungen im Wesentlichen darauf ab, nach wie der Gestattungsbeschluss zu der baulichen Veränderung erfolgte. Es unterscheidet 3 Fälle:

  1. Nach § 21 Abs. 1 WEG trägt der Wohnungseigentümer die Kosten einer baulichen Veränderung, die ihm gestattet wurde oder die auf sein Verlangen nach § 20 Absatz 2 WEG durch die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer durchgeführt wurde. Nur ihm gebühren die Nutzungen. So z.B. bei einem Balkonanbau, Gartenhausbaus oder baulichen Veränderungen für einen barrierefreien Zugang etc.
  2. Ist § 21 Abs. 1 WEG nicht einschlägig, tragen nach § 21 Abs. 2 BGB alle Wohnungseigentümer die Kosten einer baulichen Veränderung nach dem Verhältnis ihrer Anteile (§ 16 Absatz 1 Satz 2 WEG), wenn der Gestattungsbeschluss von der Mehrheit der der Wohnungseigentümer gefasst wurde und nicht mit unverhältnismäßigen Kosten verbunden ist oder sich innerhalb eines angemessenen Zeitraums amortisiert. Die Voraussetzung „Mehrheit der Wohnungseigentümer“ meint hier, dass der Beschluss mit mehr als zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen und der Hälfte aller Miteigentumsanteile gefasst wurde. Die Nutzungen dürfen dann ebenfalls anteilig von allen Wohnungseigentümern gezogen werden. Ein typisches Beispiel ist hier z.B. die bauliche Veränderung durch einen Fassadenanstrich, eine neue Heizungsanlage, eine energetische Modernisierung des Hauses durch den Aufbau einer Solaranlage.
  3. Liegt weder ein Fall des § 21 Abs. 1 noch des Abs. 2 WEG vor und gibt es keinen Sonderbeschluss, tragen nach § 21 Abs. 3 BGB nur diejenigen Wohnungseigentümer die Kosten der baulichen Veränderung, die für diese gestimmt haben. So z.B. bei Minderheitsbeschlüssen über den Einbau eines Aufzugs, einer Sauna oder ähnlichem. Die Nutzungen stehen ebenfalls allein den zustimmenden Eigentümer zu.

Die gesetzliche Verteilung ist nicht zwingend, sondern kann auch in einem Eigentümerbeschluss anders geregelt werden. Allerdings dürfen dabei keinem Wohnungseigentümer Kosten aufgebürdet werden, die er nach dem Gesetz nicht zahlen müsste (vgl. § 21 Abs. 5 WEG).

Im Übrigen dürfen Wohnungseigentümer, die nicht an den Nutzungen teilhaben dürfen, verlangen, dass ihnen die Nutzungsmöglichkeit gegen einen angemessenen Ausgleich gestattet wird.

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V. Bauliche Veränderungen unterliegen nach WEG-Reform 2020 Beschlusszwang

Der Bundesgerichtshof (BGH) stellte in einem Urteil vom 17.03.2023, Az.: V ZR 140/22 (Fall: Pool-Bau im Gartenteil) ausdrücklich fest, dass alle baulichen Veränderungen am Gemeinschaftseigentum einen gestattenden Beschluss der Eigentümergemeinschaft brauchen. Der Beschlusszwang besteht nach dem BGH unabhängig davon, ob ein anderer Eigentümer durch die bauliche Veränderung benachteiligt ist oder nicht.

Wird ohne Beschluss gebaut, haben die anderen Wohnungseigentümer einen gerichtlich durchsetzbaren Unterlassungsanspruch nach § 1004 Abs. 1 Satz 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB).

Das Beschlusserfordernis entfällt auch nicht dadurch, dass der bauende Eigentümer einen Anspruch auf Gestattung der baulichen Veränderung nach § 20 Abs. 3 WEG hat: Nach dem BGH ist es einem bauwilligen Eigentümer, der eine bauliche Veränderung vornehmen will, durchaus zumutbar seinen Gestattungsanspruch notfalls gerichtlich durchzusetzen, bevor er mit den Baumaßnahmen beginnt. Dem Unterlassungsanspruch steht ein möglicher Gestattungsanspruch daher nicht entgegen.

VI. Fazit und Zusammenfassung

Bauliche Veränderung am Gemeinschaftseigentum sind nach der WEG-Reform 2020 sowohl auf Veranlassung aller Wohnungseigentümer als auch auf Veranlassung einzelner Eigentümer möglich. Neu ist ein absolutes Beschlusserfordernis. Das bedeutet, bauliche Veränderungen sind ohne einen gestattenden Beschluss immer unzulässig und sind im Zweifel zurückzubauen. Es gibt hier auch keine Ausnahme für Wohnungseigentümer die einen Anspruch auf eine bauliche Veränderung haben. Die neuen gesetzlichen Regelungen zur Beschlussfassung, der Kostenverteilung und Nutzungsziehung einer baulichen Veränderung finden Wohnungseigentümer in den §§ 20, 21 WEG.

Mein Name ist Dennis Hundt. Seit 2009 schreibe ich hier Beiträge für Immobilien­eigentümer. Mit meinem Portal Hausver­walter-Vermittlung.de helfe ich Eigentümern bei der Suche nach einer neuen Haus­ver­waltung. Eigentümer können hier kostenfrei und unverbindlich Angebote von Hausverwaltungen aus Ihrer Nähe anfordern.

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