Im Gegensatz zu lediglich anfechtbaren Beschlüssen, deren Ungültigkeit immer erst durch ein Gericht rechtskräftig festgestellt werden kann, sind nichtige Beschlüsse immer ungültig. Ein nichtiger WEG-Beschluss ist von Anfang an ungültig und kann nicht gültig werden. Für Wohnungseigentümer bedeutet das, dass solche Beschlüsse zu keinem Zeitpunkt rechtsverbindlich und daher theoretisch auch nicht zu beachten sind. Theoretisch deshalb, weil es in der Praxis oft nicht so offensichtlich ist, ob ein Beschluss tatsächlich nichtig oder nur anfechtbar ist.

Der nachfolgende Artikel gibt einige Beispiele für nichtige Beschlüsse der Eigentümerversammlung.

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I. Wann ist ein WEG-Beschluss nichtig?

Die Antwort darauf gibt § 23 Abs. 4 Wohnungseigentumsgesetz (WEG). Dieser besagt, dass jeder Beschluss der Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG-Gemeinschaft) nichtig ist, der gegen eine unabdingbare Rechtsvorschrift verstößt. Unabdingbar ist eine Rechtsvorschrift dann, wenn die Wohnungseigentümer keine Möglichkeit haben auf ihre Einhaltung rechtswirksam zu verzichten — also weder durch einstimmigen Beschluss noch eine sonstige abändernde Vereinbarung. Es muss ein Verstoß gegen eine Rechtsvorschrift sein, deren Beachtung nicht zur Disposition der Wohnungseigentümer oder des Verwalters steht.

Als Rechtsvorschriften kommen dabei nicht nur die Vorschriften des WEG in Betracht, sondern auch Vorschriften der Gemeinschaftsordnung oder der Teilungserklärung. Ebenso sind alle sonstige Rechtsvorschriften, wie z.B. aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) oder Strafgesetzbuch (StGB) usw., bei der Beurteilung der Gültigkeit eines Beschlusses zu beachten.  So ist z.B. ein Beschluss, der den Tatbestand eines Strafgesetzes erfüllt nichtig.

II. Beispiele: WEG Beschluss nichtig

Die Ungültigkeit eines WEG-Beschlusses kann verschiedene Nichtigkeitsgründe haben. Hauptanwendungsfälle sind ein Verstoß gegen die Beschlusskompetenz der Eigentümergemeinschaft oder Verstöße gegen ein gesetzliches Verbot (z.B.§ 134 BGB) oder die guten Sitten verstoßen (§ 138 BGB). Daneben kann auch die Unbestimmtheit des Beschlussinhalts oder ein Verstoß gegen unabdingbare Eigentümerrechte bei der Beschlussfassung zur Nichtigkeit des Eigentümerbeschlusses führen.

1. Keine Beschlusskompetenz

Der häufigste Fall in der Praxis, der zur Nichtigkeit eines WEG-Beschlusses führt, ist die Überschreitung der Beschlusskompetenz. Das bedeutet vereinfacht gesagt: Die Wohnungseigentümer treffen eine Entscheidung zu einem Thema, über das sie gar keine Entscheidung treffen dürfen. Der Bundesgerichtshof (BGH) entschied dazu Folgendes: Fassen die Eigentümer in einer Eigentümergemeinschaft einen Beschluss in absoluter Beschlussunzuständigkeit, ist der gefasste Beschluss nichtig (vgl. Bundesgerichtshof (BGH), Entscheidung vom 20.09.2000, Az.: V ZB 58/99).

Beispiele:

  • WEG-Beschluss zur Begründung eines Sondernutzungsrecht für einen Wohnungseigentümer ist nichtig: Ein Sondernutzungsrecht ist durch Vereinbarung und nicht durch WEG-Beschluss zu begründen (vgl. Bayerisches Oberlandesgericht (BayObLG), Entscheidung vom 17.11.2004, Az.: 2 Z BR 178/04).
  • WEG-Beschluss zur Änderung des geltenden Kostenverteilerschlüssels ist nichtig: Hier liegt ein Verstoß gegen § 16 Abs. 2 Satz 2 WEG vor. Danach können die Wohnungseigentümer nur für einzelne Kosten oder bestimmte Arten von Kosten eine von § 16 Abs. 2 Satz 1 WEG oder von einer Vereinbarung abweichende Verteilung beschließen. Eine darüberhinausgehende Änderung des geltenden Kostenverteilungsschlüssels ist nicht gestattet und überschreitet die Beschlusskompetenz (vgl. Oberlandesgericht (OLG) München, Entscheidung vom 07.08.2007, Az.: 34 Wx 3/05).
  • WEG-Beschluss mit zu langer Verwalterbestellung ist nichtig: Nach § 26 Abs. 2 S.1 können die Wohnungseigentümer den Verwalter nur für höchstens fünf Jahre bestellen und im Fall der Erstbestellung nach der Begründung des Wohnungseigentums nur für höchstens drei Jahre. Ein gegenteiliger Beschluss ist eine Kompetenzüberschreitung.
  • WEG-Beschluss mit Bestellung eines Nichteigentümers zum Verwaltungsbeirat ist nichtig: Verstoß gegen § 29 Abs. 1 Satz 1 WEG. Danach sind nur Wohnungseigentümer zu Mitgliedern des Verwaltungsbeirats zu bestellen.
  • WEG-Beschluss nichtig, wenn dieser Leistungspflichten eines Wohnungseigentümers festlegt, die sich weder aus Gesetz noch aus einer Vereinbarung ergeben: So bei einem Beschluss, der die Wohnungseigentümer verpflichtet, der Hausverwaltung jeden Ein- und Auszug, egal ob Mieter oder Selbstnutzer, umgehend schriftlich, innerhalb von 3 Wochen nach dem Ein- oder Auszug zu melden. Diese Begründung einer konstitutiven Leistungspflicht überschreitet die Beschlusskompetenz (vgl. Landgericht (LG) München I, Entscheidung vom 11.12.2014, Az.: 36 S 152/14; BGH, Entscheidung vom 18.06.2010, Az.: V ZR 193/09).

2. Verstoß gegen gesetzliches Verbot und Sittenwidrigkeit

Die Nichtigkeit von Beschlüssen der Eigentümergemeinschaft ergibt sich in der Praxis auch oft daraus, dass bei der Beschlussfassung — inhaltlich oder formal — gegen ein gesetzliches Verbot (§ 134 BGB) oder die guten Sitten (§ 138 BGB) verstoßen wird. So ist ein WEG-Beschluss oder dessen Ablehnung z.B. dann wegen Sittenwidrigkeit nichtig, wenn er gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt (vgl. Amtsgericht (AG) Siegburg, Urteil vom 31.05.2022, Az.: 150 C 28/21).

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Beispiele:

  • Nichtigkeit von WEG-Beschlüssen wegen Schikane: Einladung zur Eigentümerversammlung zur Schikane eines Wohnungseigentümers, der aufgrund der schikanösen Einladungsumstände nicht an der Wohnungseigentümerversammlung teilnimmt (vgl. Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt, Entscheidung vom 27.09.2004, Az.: 20 W 275/02).
  • Nichtigkeit von WEG-Beschlüssen nach bewusster Nichteinladung eines Wohnungseigentümers, um dessen Mitwirkung zu verhindern (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 19.06.2001, Az.: 4 W 152/01; OLG Zweibrücken, Beschluss vom 21.11.2002, Az.: 3 W 179/02)
  • Nichtigkeit eines WEG-Beschlusses bei gezielter Verhinderung der Teilnahme eines unliebigen Eigentümers durch Änderung der bisher vereinbarungswidrig angewandten Vertretungspraxis kurz vor Beginn der Eigentümerversammlung (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 17.12.2004, Az.: 16 Wx 191/04).

3. Verstoß gegen unabdingbare Rechte

Ein weiterer Grund, der zur Nichtigkeit eines WEG-Beschlusses führt, ist ein Verstoß gegen unabdingbare Rechte der Wohnungseigentümer; Hauptanwendungsfälle sind hier das Teilnahmerecht der Wohnungseigentümer auf der Eigentümerversammlung und das Stimmrecht.

 Beispiele:

  • WEG-Beschluss nichtig aufgrund von Coronamaßnahmen: Einschränkung des Teilnahmerechts der Wohnungseigentümer führt zur Nichtigkeit aller auf der Eigentümerversammlung gefassten Beschlüsse, wenn die Einladung den Hinweis enthält, dass nur maximal vier Personen in Präsenz zugelassen werden und die übrigen Eigentümer dem Verwalter eine Stimmrechtsvollmacht erteilen sollen. Dies kommt der Ausladung aller übrigen Eigentümer gleich (vgl. Amtsgericht (AG) Erfurt, Entscheidung vom 21.06.2023, Az.: 5 C 1696/20).
  • WEG-Beschlüsse in Coronapandemie durch Verwalter als einzigen Teilnehmer nichtig, wenn Einladung zur Eigentümerversammlung mit Aufforderung zur Nichtteilnahme und Vollmachtserteilung an Verwalter erfolgt. Hier liegt ein Ausschluss der Mitwirkungsmöglichkeit der Wohnungseigentümer vor (vgl. AG Lemgo, Urteil vom 24.08.2020, Az.: 16 C 10/20).

4. Beschluss nicht hinreichend bestimmt

Ein weiterer Nichtigkeitsgrund bei einem WEG-Beschlusses kann die fehlende inhaltliche Bestimmtheit sein, denn jeder WEG-Beschluss ist grundsätzlich so zu formulieren, dass alle Personen, die daraus verpflichtet werden, wissen, was jetzt und zukünftig gilt. Fehlt einem Eigentümerbeschluss die zur rechtlichen Beachtlichkeit erforderliche Bestimmtheit, so führt dieser Mangel dann zur Nichtigkeit, wenn die Unbestimmtheit auf einer inhaltlichen Widersprüchlichkeit beruht bzw. der Beschluss eine konkret durchführbare Regelung nicht mehr erkennen lässt (BGH, Beschluss vom 10.09.1998, Az.: V ZB 11/98). Für die Nichtigkeit ist eine „gesteigerten Unbestimmtheit“ erforderlich, d.h. die Bestimmtheit fehlt erst dann, wenn sich durch die vorrangige Auslegung kein eindeutiger Beschlussinhalt ermitteln lässt bzw. wenn er keine sinnvolle, in sich geschlossene und verständige Regelung enthält Amtsgericht (AG) Siegburg, Urteil vom 31.05.2022, Az.: 150 C 28/21

Beispiele:

  • WEG-Beschluss ist mangels hinreichender Bestimmtheit unwirksam, wenn er eine Regelung enthält, die das Singen und Musizieren außerhalb von Ruhezeiten nur in „nicht belästigender Weise und Lautstärke“ gestattet (BGH, Beschluss vom 10.09.1998, Az.: V ZB 11/98).
  • WEG-Beschluss mit Generalermächtigung des Verwalters unbestimmt, wenn der Beschluss von seiner Reichweite her der erforderlichen Bestimmtheit bzw. Klarheit entbehrt (vgl. LG München I, Urteil vom 11.12.2014, Az.: 36 S 152/14)
  • WEG- Beschluss „in Ergänzung zu“ bestandskräftigten Jahresabrechnungen und unklarem Regelungsinhalt bezüglich der Zahlungsverpflichtungen aus der Jahresabrechnung (vgl. AG München, Urteil vom 04.11.2009, Az.: 482 C 360/09; vgl. AG Dortmund, 12.11.2015 – 514 C 71/14: Unbestimmtheit von Beschlüssen zur Jahresabrechnung)
  • WEG-Beschluss zur Jahresabrechnung, der nicht auf die beschlossenen Gesamt- und Einzelabrechnungen verweist (vgl. AG Dortmund, Urteil vom 12.11.2015, Az.: 514 C 71/14)

III. Fazit

Die Nichtigkeitsgründe bei einem WEG-Beschluss können ganz unterschiedlicher Art sein: So können die Art der Beschlussfassung oder der Inhalt der Beschlussfassung ebenso zur Nichtigkeit führen, wie die Umstände der Einladung zur Eigentümerversammlung oder der Abstimmung. Wichtig ist, dass sich Eigentümer immer vor Augen halten sollten, dass ein Beschluss nicht immer sofort nichtig ist, sondern oftmals auch „nur“ anfechtbar. Es ist daher empfehlenswert bei jedem Beschluss bei dem eine Unwirksamkeit vermutet wird, auch eine Anfechtungsklage zu erheben.

Mein Name ist Dennis Hundt. Seit 2009 schreibe ich hier Beiträge für Immobilien­eigentümer. Mit meinem Portal Hausver­walter-Vermittlung.de helfe ich Eigentümern bei der Suche nach einer neuen Haus­ver­waltung. Eigentümer können hier kostenfrei und unverbindlich Angebote von Hausverwaltungen aus Ihrer Nähe anfordern.

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