Das Wohnungseigentumsgesetz (WEG) überlässt es im Wesentlichen den Wohnungseigentümern ihr Verhältnis untereinander zu regeln. Sie besitzen in weitem Umfang Vertrags- und Gestaltungsfreiheit. In der Praxis kommt es nicht selten vor, dass die Wohnungseigentümer zu einem Punkt einen Beschluss fassen, über den es bereits eine Regelung in der Teilungserklärung gibt: Das beste Beispiel ist hier der Kostenverteilungsschlüssel. Welche Regelung gilt dann? WEG-Beschluss oder Teilungserklärung? Haben Vereinbarungen in der Teilungserklärung und Gemeinschaftsordnung Vorrang vor WEG-Beschlüssen? Der nachfolgende beantwortet diese Fragen.

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I. Was steht in der Teilungserklärung?

Die Teilungserklärung regelt die Eigentumsverhältnisse innerhalb der Wohnungseigentümergemeinschaft. Sie beinhaltet in erster Linie die Aufteilung in Sonder- und Gemeinschaftseigentum und eine Gemeinschaftsordnung. Darin werden die Nutzungs- und Gebrauchsbeschränkungen der Wohnungseigentümer, die Umlageschlüssel zur Kostenverteilung, das Stimmrecht und ggf. bereits die erste Hausverwaltung festgelegt.

Die Teilungserklärung enthält damit insbesondere durch die Gemeinschaftsordnung wesentliche Vereinbarungen des Gemeinschaftsverhältnisses nach § 10 WEG und bestimmt bereits zum Zeitpunkt der Bildung des Wohnungseigentums das zukünftige Rechtsverhältnis der Wohnungseigentümer.

Daher verwundert es nicht, dass sich die ein oder andere Regelung im Laufe der Zeit als von Anfang an verfehlt oder unzweckmäßig erweist: So z.B., wenn sie zu wenig auf die Besonderheiten der jeweiligen WEG-Gemeinschaft abgestimmt ist (vgl. Bundesgerichtshof (BGH), Beschluss vom 27.06.1985, Az.: VII ZB 21/84). In solchen Fällen muss eine Änderung der Teilungserklärung grds. möglich sein.

II. Wann kann die Teilungserklärung durch WEG-Beschluss geändert werden?

Wann eine Änderung der Teilungserklärung durch WEG-Beschluss möglich ist, hängt vom Einzelfall ab. Eine ausdrückliche gesetzliche Befugnis für Wohnungseigentümer zur Änderung der Teilungserklärung gibt es nicht.

Die Wohnungseigentümer sind grundsätzlich nicht zu einer Änderung der Teilungserklärung durch eine Mehrheitsentscheidung befugt: Dazu fehlt der WEG-Gemeinschaft die sog. Beschlusskompetenz (vgl. BGH, Urteil vom 11.05.2012, Az.: V ZR 189/11, BGH, Urteil vom 25.09.2009, Az.: V ZR 33/09).  Existieren daher Beschlüsse, die den Regelungen in der Teilungserklärung widersprechen, sind diese Beschlüsse grundsätzlich unwirksam (vgl. LG Düsseldorf, Entscheidung vom 16.04.2014, Az.: 25 S 141/13).

Eine solche Befugnis zur Änderung einzelner Regelungen der Teilungserklärung kann sich im Einzelfall aus der Teilungserklärung selbst ergeben: z.B., wenn die Gemeinschaftsordnung eine sog. Änderungsklausel enthält, die es den Wohnungseigentümern gestattet, die Gemeinschaftsordnung zu ändern. Allerdings lässt der BGH auch hier nur eingeschränkt eine Abänderung zu und bestimmt, dass eine Abänderungsklausel in der Gemeinschaftsordnung nicht dazu führen darf, dass eine einmal getroffene Vereinbarung nach Belieben der jeweiligen Mehrheit jederzeit abänderbar ist. Der einzelne Wohnungseigentümer muss ein schutzwürdiges Vertrauen darauf haben können, dass Änderungen nicht ohne weiteres möglich sind (vgl. BGH, Beschluss vom 27.06.1985, Az.: VII ZB 21/84; BGH, Urteil vom 10.10.2014, Az.: V ZR 315/13: Belastungsverbot).

Nach der Rechtsprechung des BGH soll eine Änderung der Teilungserklärung ausnahmsweise durch Beschluss möglich sein,

  • wenn die Teilungserklärung eine Änderungsklausel aufweist oder
  • wenn der Beschlussgegenstand gemäß § 16 Abs. 3 WEG die Verteilung von Betriebskosten nach Verursachung ist oder
  • wenn gemäß § 16 Abs. 4 WEG über eine Kostenverteilung in einem Einzelfall entschieden werden soll

(vgl. BGH, Entscheidung vom 25.09.2009, Az.: V ZR 33/09).

In der Praxis sind Beschlüsse zur Änderung des Kostenverteilungsschlüssels in der Teilungserklärung wiederholt Streitgegenstand, wie folgenden Beispiele aus der Rechtsprechung zeigen:

  • Abänderung ist unzulässig, wenn die bisherige Regelung in der Teilungserklärung nicht unbillig ist, weil nunmehr auftretende Belastungen durch die bestehende Regelung bereits beim Kauf erkennbar waren: Besteht eine WEG-Gemeinschaft z.B. aus mehreren älteren und neueren Häusern ist ein erhöhter Sanierungsbedarf bei den älteren Gebäudeteilen bereits beim Kauf erkennbar. Die Regelung zur Tragung der Instandhaltungskosten nach WEG-Anteilen ist daher nicht für die Eigentümer unbillig, die in den neueren Gebäuden ihr Sondereigentum haben. Es ist daher unzulässig durch Beschluss festzulegen künftig die Instandhaltungskosten nach Häusern zu trennen und sie nur den Sondereigentümern in den jeweiligen Häusern aufzuerlegen (vgl. Oberlandesgericht (OLG) Köln, Beschluss vom 08.12.1997, Az.: 16 Wx 311/97; OLG Hamm, Entscheidung 09.09.2002, Az.: 15 W 235/00).
  • Keine Änderung bei unbilliger Benachteiligung eines Eigentümers: Auch bei einer Änderungsklausel in der Teilungserklärung zum Kostenverteilungsschlüssel des Gemeinschaftseigentums, ist eine Änderung durch Beschluss nur dann zulässig, wenn ein sachlicher Grund vorliegt und einzelne Wohnungseigentümer gegenüber dem früheren Rechtszustand nicht unbillig benachteiligt werden (vgl. BGH, Entscheidung vom 27.06.1985, Az.: VII ZB 21/84; BGH, Urteil vom 10.10.2014, Az.: V ZR 315/13).
  • Änderung eines Kostenverteilerschlüssels nach § 16 Abs. 3 WEG nur bei Betriebskosten möglich und nicht für sämtliche gemeinschaftlichen Kosten (Landgericht (LG) Itzehoe, 14.10.2016, Az.: 11 S 3/16).
  • Beschluss zur Änderung der Kostenverteilung rechtmäßig, wenn er dem Inhalt der Teilungserklärung nicht widerspricht: Ändert ein Beschluss eine bisher übliche aber der Teilungserklärung widersprechende Zahlungsform, in eine nunmehr der Teilungserklärung entsprechende, ist das zulässig (LG Düsseldorf, Urteil vom 16.04.2014, Az.: 25 S 141/13).

III. Können Eigentümer die Änderung der Teilungserklärung verlangen?

Ja, Eigentümer können unter besonderen gesetzlichen Voraussetzungen die Zustimmung der anderen Wohnungseigentümer zur Änderung von Regelungen in der Teilungserklärung verlangen.

Die zentrale Anspruchsgrundlage ist hier: § 10 Abs. 2 WEG. Danach kann jeder Wohnungseigentümer eine vom Gesetz abweichende Vereinbarung oder die Anpassung einer Vereinbarung verlangen, soweit ein Festhalten an der geltenden Regelung aus schwerwiegenden Gründen unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles, insbesondere der Rechte und Interessen der anderen Wohnungseigentümer, unbillig erscheint.

Wichtig ist hier: Diese Vorschrift gilt nur für schuldrechtliche Vereinbarungen in der Teilungserklärung (wie z.B. die Gemeinschaftsordnung). Sachenrechtliche Änderungen der Teilungserklärung, wie z.B. die Zustimmung zu einem Beschluss zur Umwandlung von Teileigentum in Gemeinschafts- und Sondereigentum, können Eigentümer nicht verlangen (vgl. BGH, Urteil vom 11.05.2012, Az.: V ZR 189/11; BGH, Urteil vom 04.04.2003, Az.: V ZR 322/02). Das bedeutet § 10 Abs. 2 Satz 2 WEG gibt keinen Anspruch auf Zustimmung zur Änderung der sachenrechtlichen Zuordnung des Wohnungseigentums in der Teilungserklärung (vgl. BT-Drucks. 16/887, S. 19).

Ein Änderungsanspruch bezüglich des Kostenverteilungsschlüssels in der Teilungserklärung gemäß § 10 Abs.2 S. 3 WEG besteht nach dem BGH jedenfalls dann, wenn dieser nach § 242 BGB grob unbillig erscheint. Das setzt nach dem BGH folgendes voraus:

  • Erhebliche Mehrbelastung durch die bisherige Kostenverteilung gegenüber der begehrten Kostenverteilung
  • Keine Erkennbarkeit der nicht sachgerechten Kostenbelastung bei dem Erwerb des Teileigentums
  • Kein entgegenstehendes schutzwürdiges Vertrauen der anderen Wohnungseigentümer auf den Bestand des geltenden Kostenverteilungsschlüssel

(vgl. BGH, Urteil vom 15.01.2010, Az.: V ZR 114/09; BGH, Urteil vom 17. 12. 2010, Az.: V ZR 131/10).

Einen Änderungsanspruch wegen einer Mehrbelastung nahm der BGH z.B. in folgendem Fall an: Bei der Begründung von Wohnungseigentum wurde ein Kostenverteilungsschlüssel nach Miteigentumsanteilen festgelegt, der sich anhand der damaligen Wohn- und Nutzflächen der einzelnen Wohnungen orientierte. Nach einem späteren Ausbau von Räumen vergrößerten sich die Wohn- und Nutzflächen einzelner Wohnungen erheblich und nunmehr wich die Wohn- und Nutzfläche mehr als 25 % von dem damit verbundenen Miteigentumsanteil ab (vgl. BGH, Urteil vom 07.10.2004, Az.: V ZB 22/04).

Allerdings begründet nicht jede Mehrbelastung durch den Kostenverteilungsschlüssel den Anspruch eines WEG-Eigentümers auf Änderung nach § 10 Abs. 2 S. 3 WEG: So kann z.B. eine 70 %-ige Mehrbelastung allein keinen Änderungsanspruch begründen, wenn der bestehende Kostenverteilerschlüssel trotz Mehrbelastung sachgerecht erscheint (vgl. BGH, Urteil vom 17.12.2010, Az: V ZR 131/10).

Besteht der Anspruch nach § 10 Abs. 2 Satz 3 WEG ist er gerichtlich durchsetzbar:  Ein Gericht ersetzt dann die Zustimmung der Wohnungseigentümer zu einer Änderung oder dem Abschluss einer Vereinbarung (vgl. BGH, Urteil vom 8. 4. 2016, Az.: V ZR 191/15: Anspruch auf Abschluss einer Vereinbarung zur flächenmäßigen Aufteilung der Gartennutzung).

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IV. Fazit: Teilungserklärung hat Vorrang vor WEG-Beschlüssen

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Teilungserklärung gegenüber den WEG-Beschlüssen gewinnt. Wohnungseigentümer können die Teilungserklärung nicht ohne weiteres durch Beschluss ändern — sie haben keine Beschlusskompetenz. Selbst in Fällen, in denen eine Änderungsklausel die Änderung der Teilungserklärung durch WEG-Beschluss vorsieht, ist die Rechtmäßigkeit eines solches Beschlusses an viele rechtliche Hürden geknüpft.

Mein Name ist Dennis Hundt. Seit 2009 schreibe ich hier Beiträge für Immobilien­eigentümer. Mit meinem Portal Hausver­walter-Vermittlung.de helfe ich Eigentümern bei der Suche nach einer neuen Haus­ver­waltung. Eigentümer können hier kostenfrei und unverbindlich Angebote von Hausverwaltungen aus Ihrer Nähe anfordern.

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