Egal, ob man schon lange als Eigentümer in einer Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG- Gemeinschaft)  agiert oder gerade  erst neu hinzugekommen ist – früher oder später  gibt es einen Beschluss der  den eigenen Interessen widerstrebt und es stellt sich die Frage, ob dieser bestehende Beschluss der Wohnungseigentümer (WEG Beschluss) durch einen neuen Beschluss ersetzt werden kann. Gerade dann, wenn ein gerichtliches Vorgehen gegen einen Beschluss nicht in Betracht kommt, bietet es sich an zu überlegen, welche Möglichkeiten die Eigentümer selbst haben einen bereits bestehenden Beschluss entweder aufzuheben oder durch einen neuen passenderen Beschluss zu ersetzen.

Der nachfolgende Artikel erklärt daher für Wohnungseigentümer wann und wie ein WEG Beschluss durch einen neuen Beschluss ersetzt werden kann.

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I. Welche Bindungswirkung hat ein WEG Beschluss?

Der Beschluss einer Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG Beschluss) gilt grundsätzlich gegenüber allen Wohnungseigentümern. Nach § 14 Abs. 1 Nr. 1. Wohnungseigentumsgesetz (WEG) ist jeder Wohnungseigentümer gegenüber der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer gesetzlich dazu verpflichtet, die Beschlüsse einzuhalten — egal wie alt und überholt diese sind.

In der Praxis bieten sich mehrere Möglichkeiten die gesetzliche Bindungswirkung eines WEG Beschlusses aufzuheben.
Die bekanntesten sind wohl die Anfechtung  und die Nichtigkeitserklärung eines Beschlusses:

Sind sich alle Wohnungseigentümer darüber einig, dass ein bestimmter Beschluss einer Änderung bedarf oder nicht mehr zeitgerecht ist, ist die einfachste und kostengünstigste Methode die Aufhebung des Beschlusses durch die Wohnungseigentümer selbst und die Fassung eines ersetzenden Zweitbeschlusses. Dieses Verfahren ist zeitlich unbegrenzt im Rahmen der Wohnungseigentümerversammlung möglich (vgl. Punkt II.).

Gibt es zahlreiche Gegenstimmen in der Wohnungseigentümergemeinschaft, die an dem unerwünschten Beschluss festhalten wollen, bietet sich noch die Möglichkeit an, einen WEG Beschluss gerichtlich durch einen neuen Beschluss ersetzen zu lassen. Diese Möglichkeit bietet das sog. Beschlussersetzungsverfahren (vgl. Punkt III.).

Merke:

Ein Beschluss ist so lange gültig und entfaltet seine Bindungswirkung gegenüber allen Wohnungseigentümern, bis er von den Wohnungseigentümern selbst in einer Eigentümerversammlung oder durch ein Gericht aufgehoben und  gegebenenfalls ersetzt wird.

II. Wann und wie funktioniert die Ersetzung eines WEG- Beschlusses durch Zweitbeschluss?

Wohnungseigentümer haben grundsätzlich das Recht, eine Angelegenheit, die durch einen Beschluss geregelt wurde, durch einen weiteren Beschluss neu zu regeln. Allerdings müssen dabei gewisse Voraussetzungen berücksichtigt werden.

1. Was ist ein Zweitbeschluss und welche Voraussetzungen gelten für diesen?

Ein Zweitbeschluss ist eine Entscheidung, die auf einer Eigentümerversammlung getroffen wird, um einen bereits zuvor gefassten Beschluss zu ändern oder zu ergänzen. Diese Möglichkeit steht den Wohnungseigentümern grundsätzlich frei.

Inhaltlich kann der Zweitbeschluss dabei denselben Regelungsgegenstand haben wie der erste Beschluss, der ersetzt werden soll. Er kann denn Beschlussgegenstand erweitern, verringern oder in sonstiger Form verändern. Auch ein identischer Beschluss ist möglich und bietet sich meist in Fällen an, in denen der erste Beschluss wegen formalen Fehlern bei der Beschlussfassung ungültig ist. Zu beachten ist nur, dass ein Zweitbeschluss nicht die Interessen der Wohnungseigentümer beeinträchtigen darf, die durch den ersten Beschluss geschützt sind (vgl. Punkt II.2).

Formal gelten für den zweiten Beschluss die gleichen Regeln wie für den ersten Beschluss. Daher wird auch ein Zweitbeschluss auf einer Wohnungseigentümerversammlung bzw. im Umlaufverfahren gefasst. Daher müssen z.B. die Voraussetzungen für eine ordnungsgemäße Beschlussfassung erfüllt sein. Das bedeutet, insbesondere die Regelungen zur Einberufung und Durchführung einer Eigentümerversammlung nach  § 23 Wohnungseigentumsgesetz (WEG)  sind zu beachten, damit der Zweitbeschluss wirksam ist.  Nur so ist sichergestellt, dass er die gleiche Bindungswirkung entfaltet wie der Erstbeschluss. Alles Wichtige zu den Voraussetzungen der Beschlussfassung in einer WEG, lesen Sie hier: Beschlussfassung in der Eigentümerversammlung (20 Aspekte zu Formalien, Fristen, Tipps)

Ist der Zweitbeschluss gefasst, ist er grundsätzlich genauso bindend ist wie der erste ersetzte Beschluss. Er muss  gemäß § 10 Abs. 3 Satz 2 WEG auch nicht ins Grundbuch eingetragen werden, um gegenüber einem neuen Eigentümer wirksam zu sein. Wie bei dem ersten WEG Beschluss kann auch der ersetzende Beschluss nur durch eine gerichtliche Entscheidung  nach § 23 Abs. 4 WEG für ungültig erklärt werden. Wenn ein Wohnungseigentümer einen Zweitbeschluss anfechten möchte, muss er eine Anfechtungsklage gemäß § 44 Abs. 1 Satz 1 WEG erheben.

Außerdem führt ein inhaltsgleicher bestandskräftiger Zweitbeschluss regelmäßig dazu, dass z.B. für eine Nichtigkeitsfeststellungsklage hinsichtlich des Erstbeschlusses das Rechtsschutzbedürfnis fehlt. Das gilt nur dann nicht, wenn ausnahmsweise ein rechtliches Interesse an der Ungültigerklärung des Erstbeschlusses für die Zeit bis zum Wirksamwerden des inhaltsgleichen Zweitbeschlusses besteht (Landgericht (LG) München I, Urteil v. 27.2.2012, AZ.: 1 S 2839/11).

2. Wann dürfen Eigentümer einen WEG- Beschluss ersetzen und wann nicht?

Die WEG- Gemeinschaft ist grundsätzlich jederzeit dazu befugt, über eine schon geregelte Angelegenheit erneut zu beschließen. Die Befugnis dazu ergibt sich aus der autonomen Beschlusszuständigkeit der Gemeinschaft. Dabei spielt keine Rolle, aus welchen Gründen die Gemeinschaft eine erneute Beschlussfassung für angebracht hält (Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main, Beschluss vom 03.09.2004, Az.: 20 W 34/02; LG Hamburg, Urteil v. 28.10.2015, 318 S 9/15). Jedoch muss der neue WEG- Beschluss die schutzwürdigen Belange der Wohnungseigentümer aus dem  Inhalt und den Wirkungen des Erstbeschlusses beachten (Bundesgerichtshof (BGH), Beschluss vom 20.12.1990,  Az.: V ZB 8/90).

Beschließen die Wohnungseigentümer erneut, so kann daher jeder Wohnungseigentümer verlangen, dass seine schutzwürdigen Belange in Bezug auf Inhalt und Wirkung des Erstbeschlusses berücksichtigt werden — kurz gesagt ein Eigentümer darf gegenüber der ursprünglich beschlossenen Regelung nicht unzumutbar benachteiligt werden (BGH, Entscheidung vom 23.08.2001, Az.: V ZB 10/01). Eine Verletzung schutzwürdiger Belange eines Wohnungseigentümers kommt insbesondere dann in Betracht, wenn ein Wohnungseigentümer durch den abändernden Zweitbeschluss einen rechtlichen Nachteil im Verhältnis zur Regelung des Erstbeschlusses erleidet (OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 03.09.2004, Az.: 20 W 34/02).

Allerdings gibt es grundsätzlich keinen uneingeschränkten Vertrauensschutz für Eigentümer in der Form, dass sie darauf Vertrauen dürfen dass ein einmal gefasster WEG Beschluss Bestand hat und ihnen alle daraus erwachsenden Vorteile erhalten bleiben.  Gibt es sachliche Gründe, die einen ergänzenden oder ändernden Beschluss rechtfertigen, der den ersten WEG Beschluss ersetzt, müssen die Interessen des einzelnen Wohnungseigentümers grundsätzlich zurücktreten (OLG Köln, Beschluss vom 01.02.2002, Az.: 16 Wx 10/02).

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Beispiele aus der Praxis zu einer wirksamen Fassung eines Zweitbeschlusses sind z.B.

  • das Ersetzen eines Beschlusses über den Wirtschaftsplan, auch nachdem die Beschlussfassung zur Jahresabrechnung stattgefunden hat (LG Hamburg, Urteil vom 22.2.2017, Az.: 318 S 46/15; BGH, Urteil v.om 04.04.2014, Az.: V ZR 168/13: Der WEG Beschluss zum Wirtschaftsplan darf ersetzt werden, wenn Zweifel an seiner Wirksamkeit bestehen).
  • Aufhebung und Ersetzung eines WEG Beschluss der im Widerspruch zur Teilungserklärung steht (OLG Frankfurt a. M., Beschluss vom 24.2.2006, Az.: 20 W 229/2003)

Unwirksam ist hingegen z.B.

  • Ein Beschluss zur Änderung der Kostenverteilung für eine bereits bestandskräftig beschlossene Sanierungsmaßnahme ohne triftigen Grund ist unwirksam. Andernfalls würde die Frist zur Anfechtung des Beschlusses praktisch wirkungslos werden (LG Itzehoe, Urteil v. 16.8.2011, Az.: 11 S 42/10)
  • Ein bestandskräftiger Beschluss, der den er ohne Zustimmung der Wohnungseigentümer vorgenommene Umbau der Wohnungseingangstür einer Eigentümerin nachträglich genehmigt, darf nicht ohne sachlichen Grund aufgehoben und ersetzt werden, da die Eigentümerin dadurch erhebliche Nachteile erleidet  (OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 03.09.2004, Az.: 20 W 34/02).

Merke:

Ein zweiter WEG Beschluss der einen ersten WEG Beschluss ersetzen soll,  darf nicht in wohlerworbene Rechte von Wohnungseigentümern eingreifen, die auf den Bestand des Erstbeschlusses vertraut haben, so weit nicht überwiegende sachliche Gründe für die neue Regelung sprechen.

Weitere Einzelheiten zu dem Thema finden Sie hier: Wiederholungsbeschluss / Zweitbeschluss – Gründe, Voraussetzungen, Grenzen

III. Wann ist ein gerichtliches Beschlussersetzungsverfahren durchzuführen?

Das gerichtliche Beschlussersetzungsverfahren ist in § 44 Abs. 1 S. 2 WEG gesetzlich geregelt. Nach dem Gesetzeswortlaut betrifft es Fälle bei denen eine Beschlussfassung fehlt, denn in § 44 Abs. 1 S. 2 WEG heißt es: Unterbleibt eine notwendige Beschlussfassung, kann das Gericht auf Klage eines Wohnungseigentümers den Beschluss fassen (Beschlussersetzungsklage).
Damit ist das Beschlussersetzungsverfahren ein gerichtliches Verfahren, bei dem durch das Gericht ein WEG-Beschluss gefasst und damit die Beschlussfassung in der Eigentümerversammlung ersetzt wird. Vorausgesetzt ist, dass die WEG- Gemeinschaft zu einer bestimmten Angelegenheit keine oder zumindest keine durchsetzbare Entscheidung trifft.  Verfahrensgegenstand kann daher z.B. die  Beschlussfassung über die Vornahme einer notwendigen Instandsetzung (LG Dortmund, Entscheidung vom 07.02.2023, Az.: 1 S 116/22) oder die Beschlussfassung über die Vornahme einer Jahresabrechnung (LG Dortmund, Urteil vom 25.10.2022, Az.: 1 S 104/22).

Ein solches Beschlussersetzungsverfahren kann auch in den Fällen stattfinden, in denen ein WEG Beschluss existiert, aber eben nicht durchsetzbar ist oder nicht im Interesse der Gemeinschaft liegt. Auch Fälle in denen Wohnungseigentümer den Erstbeschluss, mit dem Argument angreifen, sie hätten Anspruch auf einen anderen geänderten Beschluss kann die Beschlussersetzung statthaft sein.

Allerdings hat ein gerichtlicher Antrag auf Beschlussersetzung nur Aussicht auf Erfolg, wenn der klagende  Wohnungseigentümer tatsächlich einen Anspruch auf eine entsprechende Beschlussfassung für einen Zweitbeschluss hat. Das ist besonders in den Fällen problematisch in denen der erste WEG Beschluss bereits bestandkräftig ist (LG Frankfurt a. M., Urteil v. 13.2.2020, Az.: 2-13 S 103/19).

Hintergrund ist, dass nach der Rechtsprechung des BGH Folgendes gilt: Bei einem bestandkräftigen WEG-Beschluss ist im Folgeverfahren der Einwand ausgeschlossen, der Beschluss habe seinerzeit nicht ordnungsmäßiger Verwaltung entsprochen (BGH, Urteil vom 13.07.2012, Az.: V ZR 94/11). Über die Frage, ob ein Beschluss ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht oder nicht,  soll daher nach den gesetzlichen Regelungen des WEG bereits abschließend im fristgebundenen Anfechtungsverfahren entschieden werden. Deshalb ist ein entsprechender Beschluss der nicht angefochten wurde, für die Wohnungseigentümer und den Verwalter bindend § 23 Abs. 4 WEG. Als Folge kann dann aber eben auch kein Anspruch auf einen abändernden Zweitbeschluss bestehen (LG Frankfurt a. M., Urteil v. 13.2.2020, Az.: 2-13 S 103/19). Etwas anderes kann nur dann gelten, wenn schwerwiegende Umstände das Festhalten an der bestehenden Regelung als unbillig erscheinen lassen. Als schwerwiegende Umstände können allerdings auch nur solche Umstände berücksichtigungsfähig sein, die bei der Beschlussfassung noch nicht berücksichtigt wurden oder werden konnten und auch durch ein Beschlussanfechtungsverfahren nicht geltend gemacht werden konnten (LG Frankfurt a. M., Urteil v. 13.2.2020, Az.: 2-13 S 103/19). Solche außergewöhnlicher Umständen, die trotz bestandskräftigem Erstbeschluss ein Anspruch auf einen Zweitbeschluss begründen, weil ein Festhalten an einem gefassten Beschluss grob unbillig ist und damit als gegen Treu und Glauben verstößt, sind Ausnahmefälle (OLG Frankfurt, Urteil vom 08.01.2009, Az.: 20 W 384/07).

Wenn ein Urteil über eine Beschlussersetzung nicht unbestimmt oder in sich widersprüchlich sowie rechtskräftig geworden ist, steht mit Wirkung für und gegen die Wohnungseigentümer und deren Sondernachfolger fest, dass der (ersetzte) Beschluss gültig ist. Daher kann nicht mehr geltend gemacht werden, er sei nichtig BGH, Urteil vom 16.02.2018, Az.: V ZR 148/17.

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IV. Fazit und Zusammenfassung

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass ein WEG-Beschluss durch einen neuen Beschluss ersetzt werden kann, wenn dieser neue Beschluss in der Eigentümerversammlung ordnungsgemäß gefasst wird und der alte Beschluss dadurch aufgehoben oder geändert wird. Durch den neuen Beschluss dürfen einzelne Wohnungseigentümer allerdings nicht sachgrundlos unzumutbar benachteiligt werden. Alternativ zur Beschlussersetzung in der Eigentümerversammlung kann ein WEG  Beschluss auch durch ein Gericht ersetzt werden. Das geht allerdings regelmäßig nur dann, wenn der erste Beschluss noch nicht bestandskräftig ist.

Mein Name ist Dennis Hundt. Seit 2009 schreibe ich hier Beiträge für Immobilien­eigentümer. Mit meinem Portal Hausver­walter-Vermittlung.de helfe ich Eigentümern bei der Suche nach einer neuen Haus­ver­waltung. Eigentümer können hier kostenfrei und unverbindlich Angebote von Hausverwaltungen aus Ihrer Nähe anfordern.

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